Barrieren abbauen – Zugänge schaffen

Abschlussbericht

Projekt „Barrieren abbauen – Zugänge schaffen. Initiierung eines inklusiven Kompetenz-Netzwerks gegen Gewalt an Frauen mit Behinderungen in Mannheim“

Gefördert im Rahmen des Programms „Impulse Inklusion 2014: Beteiligungskulturen – Netzwerke – Kooperationen“ des Ministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren Baden Württemberg

Laufzeit: 01.10.2014 – 31.12.2015

1. Die Ausgangssituation

Laut der Studie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend von 20121 erleben Frauen mit Behinderung doppelt so häufig körperliche und psychische Gewalt, sowie zwei- bis dreimal häufiger sexualisierte Gewalt als Frauen im Bevölkerungsdurchschnitt.

Doch noch immer nehmen viele gewaltbetroffene Frauen mit Behinderung die Angebote der Frauenunterstützungseinrichtungen nur selten in Anspruch.

Bereits im November 2011 hatte der Mannheimer Frauenhaus e.V. in Kooperation mit der Hochschule Mannheim und dem kommunalen Beauftragten für Menschen mit Behinderung einen Fachtag zum Thema „Gewalt gegen Frauen mit Behinderung“ durchgeführt. Thematisiert wurden dabei bereits vorhandene Hilfsangebote in Mannheim, aber auch die Bedürfnisse der Betroffenen.

Deutlich wurde, dass das Thema Gewalt gegen Frauen, Prävention dieser Gewalt und Beratung und Schutz für die betroffenen Frauen in diesem kommunalen Handlungsfeld zur Umsetzung der Behindertenrechtskonvention dringend seinen Platz finden muss.2

2. Ziel des Projektes

Ziel des Projektes war der Aufbau von verbindlichen und nachhaltigen Netzwerkstrukturen vor Ort. Möglichst viele Akteur_innen aus den Behinderteneinrichtungen, den Organisationen der Behindertenselbsthilfe und den Frauenunterstützungseinrichtungen sollten daran beteiligt sein. Damit sollte gewaltbetroffenen Frauen mit Behinderung in Mannheim der Zugang zu Unterstützungsangeboten, zu Beratung und Hilfe erleichtert bzw. ermöglicht werden.

Bestandteile dieser Zielsetzung waren

  • eine gemeinsame Bedarfsermittlung
  • die Stärkung und Strukturierung der Zusammenarbeit
  • die Entwicklung von niederschwelligen und zielgruppenspezifischen Angeboten für Frauen
  • die Entwicklung von Öffentlichkeitsmaterialien
  • die Entwicklung einer barrierefreien Homepage
  • die Implementierung in den Aktionsplan der Stadt Mannheim zur Umsetzung der UN Behindertenrechtskonvention

3. Verlauf des Projekts

Der Aufbau des Netzwerkes wurde verantwortlich von Mitarbeiterinnen im Fraueninformationszentrum (FIZ) des Mannheimer Frauenhaus e. V. in Kooperation mit der AG Barrierefreiheit  durchgeführt.

Eine weitere Mitarbeiterin des Mannheimer Frauenhaus e.V. war im Rahmen des Projektes mit der Begleitung und Koordination der Erstellung einer barrierefreien Homepage des Vereins befasst.

Im Januar 2015 wurden die Einladungen zum ersten Vernetzungstreffen an etwa 100 Vertreter_innen aus der Behindertenhilfe und der Behindertenselbsthilfe, aus Politik und Verwaltung sowie aus den Frauenunterstützungseinrichtungen versendet.

Zum ersten Kooperationstreffen am 2. Februar 2015 erschienen ca. 40  Personen, darunter Vertreter_innen aus Einrichtungen der Behindertenhilfe und -selbsthilfe, Stadträtinnen, kommunale Beauftragte, Einzelpersonen und Fachkräfte aus den Frauenunterstützungseinrichtungen.

Themen des ersten Vernetzungstreffens waren ein erstes Kennenlernen und Austausch zum Thema, eine Vorstellung der Studie der Bundesregierung sowie die Vorstellung des Projektzieles.

Schon während der Vorstellungsrunde berichteten fast alle Anwesenden von eigenen Erfahrungen mit dem Thema Gewaltbetroffenheit von Frauen mit Behinderung. Auch wurde berichtet, welche Unterstützungsangebote es in Mannheim bereits gibt:

  • Im Frauenhaus des Mannheimer Frauenhaus e. V. gibt es eine rollstuhlgerechte Wohnung.
  • Eine Mitarbeiterin des Frauenhauses ist in Gebärdensprache LBG (Lautgebärdensprache) ausgebildet.
  • Das Fraueninformationszentrum (FIZ) des Mannheimer Frauenhaus e. V. ist für Rollstuhlfahrerinnen nur eingeschränkt zugänglich. Es gibt jedoch einen externen Beratungsraum, der auch für Frauen mit Behinderung barrierefrei zugänglich und nutzbar ist.
  • Die Vertreter_innen der Gemeindediakonie berichteten, dass es ab März 2015 ein Büro für leichte Sprache geben soll, das über die „Aktion Mensch“ finanziert wird. Dort sind auch Schulungen möglich. Möglich ist dort, sich über das Thema leichte Sprache zu informieren und Texte auf Barrierefreiheit überprüfen zu lassen.
  • In der Abendakademie gibt es bereits Selbstbehauptungskurse und zusammen mit der Diakonie Fortbildungen für Menschen mit Behinderung. Diese sind jedoch nicht geschlechtsspezifisch.

Bei allen Beteiligten bestand großes Interesse am Aufbau eines lokalen Netzwerks  aus Fachkräften aus den Einrichtungen der Behindertenhilfe, den Interessensvertretungen behinderter Menschen/Frauen, den Beauftragten der Kommune und den Frauenunterstützungseinrichtungen.

Insgesamt fanden sechs Vernetzungstreffen statt. Durchschnittlich waren ca. 15 Vertreter_innen aus Einrichtungen wie z.B. der Gemeindediakonie, Lebenshilfe, dem Badischen Blinden- und Sehbehindertenverein, Frauen- und Kinderschutzhäuser, Gehörlosenverein, Frauennotruf, kommunale Beauftragte und Einzelpersonen vertreten (s. Teilnahmeliste im Anhang).

In unterschiedlichen Zusammenhängen konnte darüber hinaus auf die Thematik und die begonnene Vernetzung aufmerksam gemacht werden:

  • Veröffentlichung eines Artikels in der Zeitschrift „Gesundheitspress“ des Gesundheitstreffpunktes Mannheim
  • Aufnahme der Frauenunterstützungseinrichtungen in den Ratgeber für Menschen mit Behinderung der Stadt Mannheim
  • Infostand auf dem Maimarkt 2015 im Rahmen „Gemeinsam stark sein – aktiv leben mit und ohne Behinderung“
  • Pressekonferenz zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen mit der öffentlichen Vorstellung der Ergebnisse aus den Netzwerktreffen

4.Ergebnisse des Projekts

Die Vernetzungstreffen hatten zum Ergebnis, dass

  • Fachkräfte aus der Behindertenhilfe die Angebote für betroffene Frauen mit Behinderung vor Ort kennen,
  • Fachkräfte aus den Frauenunterstützungseinrichtungen Einblick in die Arbeitsbedingungen in den Einrichtungen bekommen haben und um die spezifischen Bedarfe von Frauen mit Behinderung wissen,
  • Fachkräfte in den Einrichtungen sich mit Schutzkonzepten beschäftigen, um angemessen auf Gewaltvorkommnisse reagieren zu können,
  • Infomaterialien kontinuierlich ausgetauscht werden,
  • gemeinsam eine Info-Postkarte für Frauen mit Behinderung (auch in Brailleschrift lesbar) entwickelt wurde.

Als unmittelbare Produkte aus dem Projekt liegen vor:

  • Info-Postkarte in leichter Sprache und Brailleschrift
  • barrierefreie Homepage des Mannheimer Frauenhaus e.V. (2/2016 online)

5. Blick in die Zukunft

Das Projekt „Barrieren abbauen – Zugänge schaffen“ in Kooperation mit der AG Barrierefreiheit ist ein erster Schritt zu einer verbesserten Situation von Frauen mit Behinderung in Mannheim, die Gewalt erlebt haben. Es hat die Vernetzung der beiden Kompetenzbereiche Frauenunterstützung und Behindertenhilfe ermöglicht sowie den Aufbau eines kontinuierlichen Austauschs. Mitarbeiter_innen lernen sich gegenseitig kennen und können in Fällen von Gewalt an Frauen mit Behinderung einfacher und schneller zusammenarbeiten.

Das Projekt kann als erster Schritt gesehen werden, der weitere Maßnahmen anregen soll, um Frauen mit Behinderung in Mannheim zukünftig besser vor Gewalt schützen zu können.

Diese Umsetzung braucht Zeit und die nötige Beharrlichkeit. Wichtig ist, dass Gewalt gegen Frauen mit Behinderung in Mannheim nicht in Vergessenheit gerät und kontinuierlich in Arbeitskreisen und (politischen) Gremien thematisiert und auch problematisiert wird.

Für die Nachhaltigkeit sehr hilfreich ist in diesem Zusammenhang das Projekt „Gewaltfrei leben und arbeiten“ des Frauenberatungs- und Therapiezentrums Stuttgart e.V. Fetz (gefördert durch das Sozialministerium Baden Württemberg). Ziel dieses Projektes ist die Schulung und Fortbildung von Fachkräften in den Einrichtungen der Behindertenhilfe in Baden-Württemberg. Aufgrund der erreichten Vernetzung in Mannheim können wir hier als Pilotprojekt starten. Wir haben deshalb alle Netzwerkteilnehmer_innen unseres Projektes  zu einer Informationsveranstaltung im Februar 2016 eingeladen.

Wir werden unsere Möglichkeiten nutzen, die aus dem Projekt gewonnenen Erkenntnisse auch in Zukunft umzusetzen und die begonnene Vernetzung nachhaltig zu etablieren.

Für die Projektförderung durch das Sozialministerium Baden-Württemberg bedanken wir uns sehr herzlich.

  • 1 Lebenssituation und Belastungen von Frauen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen in Deutschland. Erstellt von der Universität Bielefeld und den Kooperationspartnerinnen und Kooperationspartnern im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Kurzfassung, Febr. 2012. Endbericht hgg. von BMFSFJ: Ergebnisse der quantitativen Befragung. Bielefeld, Frankfurt, Köln, München 2013
  • 2 Claudia Schöning-Kalender/Ulla Törnig (Hgg.): Dokumentation zum Fachtag 2011 „Gewalt gegen Frauen mit Behinderung“. Mannheim 2012 (ISBN 3-9806920-8-6)