01.03. 2024
Am 1. März und anlässlich des am 8. März anstehenden Weltfrauentags luden wir zu einem Pressegespräch ein.
Das Projekt
Suchtabhängige von Gewalt betroffene Frauen brauchen spezielle Hilfsangebote. Jede vierte Frau in Deutschland hat häusliche Gewalt erfahren. Frauen mit Suchterkrankungen sind dabei weitaus häufiger betroffen. Sucht ist aber ein Ausschlusskriterium für die Aufnahme in ein Frauenhaus. Das bundesweit einmalige Pilotprojekt SEGEL des Mannheimer Frauenhauses e.V. und Drogenvereins Mannheim e.V. bietet betroffenen Frauen und ihren Kindern gesonderte Schutzräume und eine pädagogische Betreuung, die sowohl auf Gewalt als auch auf Sucht spezialisiert ist. Dazu wurden zwei Wohnungen mit Plätzen für jeweils vier Frauen und maximal 6 Kinder geschaffen. Insgesamt konnten bisher 8 Frauen mit einer Aufenthaltsdauer zwischen 3 und 11 Monaten aufgenommen werden. Das ist Ergebnis der Zwischenbilanz, die anlässlich des Besuchs von Staatssekretärin Dr. Ute Leidig MdL in Mannheim vorgestellt wurde.
Staatssekretärin Dr. Ute Leidig: „SEGEL ist ein Leuchtturmprojekt für unser Land. Auf diesem neuen Weg in der Versorgung können wir Gewalt- und Suchtkreisläufe durchbrechen. Wir wollen die Istanbul-Konvention in Baden-Württemberg kontinuierlich umsetzen. Dazu gehört auch, dass wir besonders schutzbedürftige Frauen in den Blick nehmen. Mit dem Projekt SEGEL gibt es bei uns im Land das bundesweit einzige Angebot für von Gewalt betroffene Frauen mit Suchtproblematiken", sagt die Staatssekretärin im Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration, Dr. Ute Leidig MdL. „Indem wir in Mannheim einen neuen Weg in der Versorgung einschlagen, können wir nachhaltige Erkenntnisse gewinnen sowie Gewalt- und Suchtkreisläufe durchbrechen. Nicht nur die Leben der einzelnen Frauen ändern sich zum Guten, sondern die beiden bislang getrennten Hilfesysteme vernetzen sich. Diese hervorragenden Synergieeffekte machen das Projekt SEGEL zu einem deutschlandweiten Leuchtturmprojekt“, so Dr. Leidig.
„Gewalt und Sucht sind eng miteinander verbunden. In der Regel sind es die gewalttätigen Männer, die während der Gewaltübergriffe unter Alkohol- oder Drogeneinfluss stehen. Aber auch eine gewisse Anzahl gewaltbetroffener Frauen trinken oder sind medikamentenabhängig. Studien sprechen hier vorsichtig von 9 Prozent der gewaltbetroffenen Frauen. Suchtkranke Frauen in Gewaltverhältnissen haben in der Bundesrepublik nur vereinzelt spezialisierte Unterstützungsangebote von Frauenberatungsstellen. SEGEL ist das bislang einzige Frauenhaus, wo sie ohne Gewalt leben können und umfassend versorgt werden. Und das Projekt zeigt: Schutz ist möglich. Auch diese Frauen können mit angemessener Unterstützung ihrem Leben eine Wendung geben. Wir dürfen diese Frauen nicht im Stich lassen“, sagt Dr. Katrin Lehmann, Referentin für Frauen und Mädchen beim Paritätischen Wohlfahrtsverband Baden-Württemberg.
„Das Projekt SEGEL ist besonders. Es füllt eine Angebotslücke, indem es zwei unterschiedliche Hilfesysteme, die bislang wenige Schnittpunkte hatten, verbindet. Dafür danke ich den Akteurinnen und Akteuren des Mannheimer Frauenhaus e.V. und des Drogenverein Mannheim e.V. für ihr gemeinsames Engagement zum Wohle der betroffenen schutzbedürftigen Frauen. Ich finde es wichtig, dass das Projekt SEGEL über die Pilotphase hinaus fortgeführt werden kann. Dafür ist es unabdingbar, dass das Land die Finanzierung im Rahmen des ‚Landesaktionsplans Gegen Gewalt an Frauen‘ auch nach 2024 sicherstellt“, betont Thorsten Riehle, Sozialbürgermeister der Stadt Mannheim.
„Eine Suchterkrankung ist für von Gewalt betroffene Frauen grundsätzlich ein Ausschlusskriterium für die Aufnahme in ein Frauenhaus. Der Konsum von Alkohol oder Drogen kann die enge Gemeinschaft im Frauenhaus nicht mittragen. Auch die Kinder sind aufgrund der doppelten Problematik ihrer Mütter hohen Belastungen ausgesetzt und benötigen eine zusätzliche ganz enge, sorgende Begleitung. Auf diese besonderen Bedürfnisse einer doppelt belasteten Frau und ihren Kindern ist das bestehende Hilfesystem nicht ausgerichtet“, erklärt Nazan Kapan, Geschäftsführerin beim Mannheimer Frauenhaus e.V.. „Bei der Versorgung der betroffenen Frauen ist bei der psychosozialen Betreuung die weitere Fachexpertise von Sucht, Abhängigkeiten und Auswirkungen erforderlich, aber auch eine engmaschige Betreuung durch ein kompetentes Netzwerk“, so Kapan.
„Das Projekt SEGEL zeigt den sektorenübergreifenden Mut und die Innovationskraft von erfahrenen Trägern. Mut, weil wir aufgrund der deutschlandweiten Einzigartigkeit des Projektes nicht wussten, was auf uns zukommt. Innovationskraft, weil wir damit eine bereits lang erkannte Versorgungslücke beginnen zu schließen. Sektorenübergreifend, weil komplexe Aufgaben nur gemeinsam bewältigt werden können“, sagt Philip Gerber, Geschäftsführer Inhalte und Innovation beim Drogenverein Mannheim e.V.. „Entscheidend für die Projektantragsstellung war das gemeinsame, gegenseitige Vertrauen und die Einigkeit in der Erreichung des Ziels, Frauen mit einer Gewaltbetroffenheit bei gleichzeitiger Substanzabhängigkeit eine Schutzmöglichkeit zu bieten“, so Gerber.
Wir bedanken uns bei allen Beteiligten und Möglichmachenden dieses besonderen Projekts: Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration Baden-Württemberg, Paritätischer Wohlfahrtsverband Baden-Württemberg, Mannheimer Drogenverein e.V., Mannheimer Frauenhaus e.V.